Bahnstrom-Experte gastiert in Dialogforum-Reihe

Gesamtprojektleiter Alexander Pawlik (2.v.r.) empfing Prof. Dr. Arnd Stephan (Mitte) im InfoCenter im Beisein der ABS 38-Projektleiter Aydin Aliakar, Matthias Schmidt und Wolfgang Kriechbaum.

Die Ausbaustrecke (ABS) 38 bleibt im Austausch mit der Region. Am 17. Juli 2023 führte das Großprojekt ein weiteres Dialogforum für Kommunalvertreter:innen der Region Südostbayern in seinem InfoCenter in Mühldorf durch. Es galt dem Spezialthema Bahnstrom. Dieses spielt auf der Ausbaustrecke in einigen Abschnitten eine große Rolle und wird vielfach mit den Kommunen besprochen. Auch deshalb hatte die ABS 38 mit Professor Dr. Arnd Stephan von der Technischen Universität Dresden einen Bahnstrom-Experten als Gastredner eingeladen. Das Interesse am Thema war groß – die Plätze im InfoCenter waren ausgebucht.

Im ausgebuchten InfoCenter sind Kommunalvertreter:innen mit Prof. Dr. Stephan (links) im Dialog.

„Den Strom auf die Strecke zu bekommen, ist technisch komplex und erklärungsbedürftig. Viele Fragen treiben die Lokalpolitiker:innen und Anwohner:innen unserer Ausbaustrecke beim Thema Bahnstrom um. Uns ist es wichtig, die Kommunen in der Region mitzunehmen. Es ehrt uns, dass wir mit Professor Dr. Stephan einen renommierten Experten dafür gewinnen konnten“, eröffnete ABS 38-Gesamtprojektleiter Alexander Pawlik die Veranstaltung.

Wo jetzt noch Züge mit Diesel fahren, wird es in Zukunft elektrisch. Aber wie kommt der Strom eigentlich an die Strecke? Was ist so besonders am Bahnstrom? Und was bedeutet das für die Menschen entlang der Ausbaustrecke 38 München-Mühldorf-Freilassing? Dazu ging Prof. Dr. Stephan in seinem Vortrag wie auch in der anschließenden Fragenrunde mit den etwa 30 Anwesenden sehr anschaulich in die Tiefe. „Moderne Eisenbahn bedeutet: viel – schnell – elektrisch!“ Diese Kernbotschaft schickte er gleich vorweg. Der elektrische Betrieb der Bahn durch dünne, über den Gleisen aufgehängte Drähte sei ein denkbar einfaches Konzept und die Technologie ungeschlagen – seit mehr als 100 Jahren.

Südostbayern erhält Anschluss an Europas leistungsfähigstes Schienennetz

Aydin Aliakar, Projektleiter im Abschnitt 2, zeigt mithilfe von Visualisierungen, wie die Bahnstromleitungen an den Oberleitungsmasten gebündelt geführt werden.

„Wo die Bahn was taugt, ist sie elektrisch“, betonte Prof. Stephan. Und wie leistungsfähig das elektrifizierte Streckennetz ist, zeige sich auch daran, dass dort heute 90 Prozent der gesamten Schienenverkehrsleistung stattfinden. Dazu zählen neben S-Bahnen im Minutentakt und ICEs in Hochgeschwindigkeit auch der für die Entlastung der Straßen entscheidende Güterverkehr. Mit der ABS 38 verschwinde künftig eine der größten verbleibenden Lücken. Nur so würden die Menschen und Unternehmen in der Region Südostbayern Anschluss an Europas leistungsfähigstes Verkehrsnetz erhalten.
Die derzeitige Planung für den Bahnstrom bei der ABS 38 skizzierte Aydin Aliakar, Projektleiter im Abschnitt 2 (Ampfing-Tüßling): Schon heute führt eine 110 kV-Bahnstromleitung von Landshut nach Rosenheim und kreuzt die Strecke der ABS 38 nahe Schwindegg. Zukünftig zweigt die Bahnstromleitung hier ab und führt entlang der neuen Oberleitungsmasten bis nach Mühldorf. Dort entsteht an zentraler Stelle im südostbayerischen Bahnnetz ein Unterwerk, wo der Hochspannungsstrom mit 110 Kilovolt in die für Oberleitungen notwendige Niedrigspannung mit 15 Kilovolt umgewandelt und dann über die Strecke verteilt wird.

Keine Beeinträchtigungen für Anwohner:innen durch Hochspannungsleitungen

Die anwesenden Bürgermeister:innen brachten die Bedenken mit, dass die Gesundheit der Menschen in der unmittelbaren Nähe einer Hochspannungsleitung beeinträchtigt wird. Hier gab der Bahnstrom-Experte Prof. Stephan Entwarnung: „Hochspannungsleitungen transportieren den Strom in niedriger Stärke und formen dadurch auch nur ein niedriges magnetisches Feld.“ Der Bahnstrom habe in Deutschland außerdem eine niedrige Frequenz, anders als z.B. WLAN oder Handys. Dadurch seien Überlagerungen mit den elektromagnetischen Felder anderer Geräte ausgeschlossen und gesundheitliche Folgen nicht zu erwarten. Es seien keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit an den bestehenden Strecken nachgewiesen. „Außerdem ist es gesetzlich vorgeschrieben, nicht nur die Grenzwerte einzuhalten, sondern die elektromagnetischen Felder insgesamt auf ein Minimum zu reduzieren“, versicherte Prof. Stephan. In der Planung bedeute das, die Bahnstromleitungen liegen innerhalb von Ortschaften direkt über den Gleisen und damit nicht näher an der Wohnbebauung als die klassische Oberleitung selbst. Das reduziert nicht nur die Beeinträchtigung für die Menschen vor Ort. Es verringere auch den optischen Einfluss auf das Landschaftsbild, denn eine eigene Trasse für die Bahnstromleitungen entfällt.

Warum die Bahn an der Ausbaustrecke nicht auf Erdkabel anstelle Freiluftleitungen setze? Dazu fiel Prof. Stephans Bewertung deutlich aus: „Erdverkabelungen gibt es in Deutschland nur da, wo es gar nicht anders geht und dann auch nur auf kurzer Strecke – etwa 100 Meter und nicht Kilometer lang. Denn sie bringen einen höheren Flächenverbrauch mit, greifen in den Wasserhaushalt ein, die Kabel haben eine wesentlich kürzere Lebensdauer, sind zudem aufwendig instand zu halten und elektrotechnisch aufwendiger. In Summe bedeutet Erdverkabelung einen höheren Umwelteingriff, eine größere technische Fehleranfälligkeit und deutlich mehr Kosten.“

Diese und mehr, vor allem auch gemeindespezifische, Fragen eines sehr interessierten Publikums beantwortete Prof. Stephan in der Diskussionsrunde nach seinem Vortrag. Alexander Pawlik und sein Projektleiter-Team unterstützten ihn dabei.

Der Gesamtprojektleitet bedankte sich am Ende beim Gastredner für seinen Besuch:

Weiterführende Fachinformationen

  • Den Vortrag von Prof. Dr. Arnd Stephan gibt es als Aufzeichnung: Hier
  • Die gesamte Folien-Präsentation der Dialogforums und die Präsentation von Prof. Dr. Arnd Stephan gibt es zum Download: Hier und Hier

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