„Der BIM-Manager, das unbekannte Wesen“

Seit 2017 begegnet man "BIM" immer häufiger bei der ABS 38. „BIM ist eine ganzheitliche Arbeitsmethode, bei der man erst digital und dann real baut.“ So beschreibt BIM-Manager Andreas sein Fachgebiet in einem Satz. Doch ein Satz reicht bei Weitem nicht aus, um die komplexen Aufgabenfelder der modernen Arbeitsmethodik zu erklären – und zu verstehen. Ein Gespräch mit dem sympathischen BIM-Team der ABS 38 bringt Licht ins Dunkel.

Das BIM-Team der ABS 38 besteht aus Andreas, Tobias, Christian und Hicham (v.l.n.r.).

Das BIM-Team der ABS 38

Bei der ABS 38 kümmert sich mittlerweile ein vierköpfiges Team darum, die Methodik zu implementieren, standardisieren und weiterzuentwickeln: Mit BIM-Manager Andreas Kische wurde das Team 2017 gegründet. 2019 folgte BIM-Fachreferent Tobias Bolduan. Christian Frey kam schon 2020 im Rahmen seiner Masterarbeit mit BIM in Berührung und ist seit April 2021 als BIM-Fachreferent ein fester Teil des Teams. Seit Dezember 2021 ist Werkstudent Hicham Bourkkadi dabei, der die drei im Tagesgeschäft unterstützt.

Eintauchen in die „BIM-Bubble“

„Der BIM-Manager, das unbekannte Wesen“, kommentiert Andreas augenzwinkernd die Frage, was BIM denn nun genau sei und was man als Manager dieses schwer greifbaren Fachgebiets eigentlich zu tun habe.

BIM, die Abkürzung für „Building Information Modeling“, beschreibt eine ganzheitliche Arbeitsmethodik mit über 20 verschiedenen Anwendungsfeldern, darunter beispielsweise dreidimensionales Zeichnen und Visualisierungen. „Oft wird BIM auf die Visualisierungen reduziert. Das finde ich schade, denn hinter der Methodik steckt noch so viel mehr“, betont Andreas, der für das Thema brennt. Genauso begeistert „leben“ seine Kollegen ihr Fachgebiet: „Wir wollen die Methodik für andere greifbar machen, denn auch Menschen außerhalb unserer Bubble können von BIM profitieren“, erklärt Tobias.

Während BIM auf der internationalen Bühne im Hochbau schon länger eine wichtige Rolle spielt, wird die Methodik im Infrastrukturbau – so auch bei der DB – seit 2015 implementiert. Nicht zuletzt dank der immer weiter voranschreitenden Digitalisierung, die BIM in all seinen Ausprägungen überhaupt erst möglich macht. „Bis Kind Nr. 2 in die Schule geht, ist BIM hoffentlich so weit etabliert, dass sich jeder unter meinem Job etwas vorstellen kann“, lacht Christian.

Während einer Virtual Design Review wird beispielsweise solch ein Modell vom Bahnhof Schwindegg geprüft.

Kein Arbeitstag ist wie der andere

So etwas wie einen typischen Arbeitstag gibt es im Leben eines BIM-Managers nicht. „Unsere Arbeit ist so abwechslungsreich, genau das gefällt mir richtig gut“, bemerkt Christian. Je mehr die drei von ihren konkreten Aufgaben erzählen, desto anschaulicher wird BIM: „Wir bilden im Team der ABS 38 die Schnittstelle zwischen der Bauherrin, also der DB Netz AG, und den externen Planungsbüros, die in dieser Phase der Projektplanung wichtig sind.“ Alle drei Wochen trifft sich das BIM-Team mit den ABS 38-Projektingenieuren (intern liebevoll „PINGs“ genannt) und den externen Planern zu sogenannten Virtual Design Reviews. Dabei stellen die externen Planer die Modelle vor, die sie anhand der Informationen und Anforderungen gebaut haben, welche sie zuvor vom BIM-Team erhalten haben. Die Aufgabe von Andreas, Tobias und Christian ist es dann wiederum, die Modelle zu überprüfen. Kurz gesagt: Das BIM-Team stellt den externen Planern die nötigen Informationen zur Verfügung, überwacht den Prozess und unterzieht die erstellten Modelle in regelmäßigen Abständen einer genauen Prüfung. So sieht agiles Arbeiten aus – oder eben der Alltag im BIM-Team.

Mit dem BIM-Lab steht dem Team sein eigenes topmodern ausgestattetes Besprechungszimmer zur Verfügung – inklusive eines leistungsfähigen Rechners und einer VR-Brille.

Andreas verdeutlicht, dass BIM keine Software ist, sondern eine Arbeitsmethodik. Trotzdem gehört auch das Testen von verschiedenen und neuen Software-Programmen zu den Aufgaben der drei – „Jugend forscht“ wie Gesamtprojektleiter Klaus-Peter Zellmer einmal liebevoll scherzte. Da BIM noch kein abgeschlossener Prozess ist und stetig weiterentwickelt wird, ist eine eng verzahnte Softwarelandschaft für eine gezielte Datenauswertung zwingend notwendig.

Warum ist BIM so wichtig für die ABS 38?

„Je früher BIM zum Einsatz kommt, desto besser“, berichtet Andreas. Gerade die Visualisierungen stellen bei der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung im Großprojekt einen großen Vorteil dar: Sie machen die Kommunikation einfacher, schaffen Transparenz und häufig auch Verständnis und ermöglichen es, die Beteiligten besser abzuholen. Aber BIM sorgt nicht nur dafür, der Öffentlichkeit oder Bürger:innen das Projekt besser zu veranschaulichen. Auch im Diskurs mit anderen Anspruchsgruppen, wie beispielsweise dem Denkmalamt, heben die 3D-Modelle die Diskussionen auf ein ganz anderes Niveau. „Wir machen die Planung greifbarer, erlebbarer und sogar hörbar“, fasst Andreas zusammen.

3D schlägt 2D – auch bei geübten Planlesern

Ein Anwendungsfall von BIM ist die 3D-Visualisierung. Welche Vorteile die dritte Dimension hat, erklärt Andreas wie folgt: „Es fällt dem Menschen generell schwerer, sich auf einem abstrakten 2D-Plan zurecht zu finden als in einer Visualisierung. Da die visuelle Wahrnehmung ein Teil der Physiologie des Menschen ist, verarbeiten wir optische Reize und interpretieren sie durch den Abgleich mit Erinnerungen.“ Durch eine 3D-Visualisierung fällt eine Hürde weg und man kann sich die Planung direkt besser vorstellen.

Die gleiche Stelle im 2D-Plan (links) und im 3D-Modell (rechts) aus. Quelle: DB WorldInsight

Dazu kommt, dass mögliche Planungsfehler häufig erst durch die dritte Dimension sichtbar werden. Der Einsatz von BIM sorgt also für einen Wissensvorsprung, verbessert die Planung und ermöglicht es, Fehler zu beseitigen, bevor sie zu einem späteren Zeitpunkt enorme Kosten verursachen könnten. „Manche Fehler fallen erst bei Beginn der Bauarbeiten auf, wenn schon der erste Bagger vor Ort ist. Viele solcher Fehler können wir dank BIM verhindern“, fügt Andreas hinzu.

Die realitätsgetreue Visualisierung zeigt einen Kollisionspunkt in der Vorplanung: eine überflüssige Flügelwand, welche auf dem 2D-Plan gar nicht zu erkennen war. Quelle: DB WorldInsight

In eine Visualisierung kann man förmlich eintauchen, indem man beispielsweise virtuell unter eine Brücke „fliegt“ und sich darunter umsieht. Seit Dezember 2021 kann man sich hier auf der Website die geplanten Baumaßnahmen an der Ausbaustrecke im Planungsabschnitt 3, zwischen Tüßling und Freilassing, in 3D anschauen.

Die Vorstufe einer Visualisierung ist das technische Modell. Es ermöglicht eine millimetergenaue Ansicht und besitzt eine hohe Detailtiefe. Hier lassen sich Informationen, wie Mengenangaben und Kosten, mit 3D verbinden. Dies wird immer wichtiger, je weiter die Planungen voranschreiten und je näher man den eigentlichen Baumaßnahmen kommt. Da überwiegend „unter rollendem Rad“ gebaut wird, also während das Bestandsgleis regelmäßig befahren wird, ist das Modell eine zusätzliche Hilfe: Es ermöglicht, Bauabläufe wie eine Art Film darzustellen, um schon vorab visuell zu prüfen, ob die Maßnahmen reibungslos vonstattengehen können. Um Texturen, wie Rasen, Beton oder Bäume ergänzt, wird das Modell schließlich zu einer besonders realitätsgetreuen Visualisierung.

Ein Blick in die Zukunft

Wenn wir unseren Job gut machen, braucht man uns eigentlich irgendwann nicht mehr“, erzählt Andreas. Die BIM-Methodik wird Standard sein, jeder Projektleiter wird damit umgehen können, ganz ohne die derzeit gefragte Expertise eines BIM-Managers. Der Vergleich mit dem Computer liegt nahe – der PC ist mittlerweile ein unverzichtbares Arbeitsmittel, die Frage, ob Schreibmaschine oder PC stellt sich nicht mehr.

Bis es soweit ist, hat das BIM-Team der ABS 38 noch viel vor. „BIM hat so viel Potential, die Planung in Zukunft immer weiter zu verbessern. An gewisse Dinge denken wir natürlich heute schon, aber zum Einsatz werden sie bei uns vermehrt in der Zukunft kommen“, erläutert Andreas. Dazu zählt u.a. die Personenstromanalyse. Diese digitale Methode soll helfen, herauszufinden, wo Engstellen auf dem Bahnsteig bei hohem Fahrgastaufkommen für Stau sorgen könnten. Tobias sieht es als Chance, an etwas Großem mitzuwirken und Standards zu definieren, die möglicherweise nicht nur für die ABS 38, sondern Bahn-übergreifend gelten könnten. Andreas ergänzt: „Es macht mir Freude, ein Teil der Zukunftsentwicklung der Bahn zu sein.“ Diesen Eindruck bekommt man definitiv, während man den drei Experten so lauscht.

Sie sind neugierig geworden und möchten noch mehr über das Thema BIM erfahren? Hier (ab Minute 34) können Sie beispielsweise den Vortrag von Andreas Kische auf der BIM-Messe 2021 erleben oder werfen Sie einen Blick auf unser Informationsblatt.