Ein Test auf Herz und Nieren
Im Sommer wurden entlang der ABS 38 im Rahmen der “Initiative - Lärmschutz Erprobung neu und anwendungsorientiert“ (I-LENA) Schallschutzwände getestet, um künftig die Lärmbelastung durch Bauarbeiten an der Schiene zu mindern. Dafür haben Akustiker mit mehreren Mikrofonen gemessen, wie viel Lärm die Schallschutzwände wirklich abhalten. Über 3.000 Messungen sind im Verlauf des Sommers entstanden. Wir haben uns gefragt, was mit den Messungen nun passiert? Deshalb haben wir uns mit unserem Akustik-Experten Sascha getroffen, der uns für ein paar Stunden über seine Schulter hat schauen lassen.
Ein Experte für Akustik
Sascha arbeitet bei der DB Systemtechnik, einem der größten Kompetenzzentren für Bahntechnik in Europa und einer Tochtergesellschaft der DB AG. Der gelernte Luft- und Raumfahrtechniker ist ein wahrer Experte für Akustik. Seit seiner Diplomarbeit beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema. Innerhalb der DB Systemtechnik gilt sein Hauptaugenmerk der Reduzierung von Lärmbelastungen, welche durch Baumaßnahmen der Deutschen Bahn verursacht werden. Das macht ihm zum kompetenten Ansprechpartner, wenn es um Erprobung neuer innovativer Schallschutzmaßnahmen entlang der ABS 38 geht.
Der erste Schritt für die richtigen Messungen
Anders als man vielleicht denkt, fängt Saschas Arbeit nicht erst nach den eigentlichen Messungen entlang der ABS 38 an. Schon weit bevor die Wände aufgebaut wurden, hat er sich Gedanken gemacht und ein Messkonzept erstellt. In diesem ist genau beschrieben, wie die Messungen für die Schallschutzwände durchgeführt werden müssen: In welchem Abstand stehen die Messmikrofone zur Wand? Welche Lärmquellen sollen verwendet werden und wie weit sind sie von der Wand entfernt? Und welche Werte müssen genau ermessen werden?
Viele Versuche und viele Ergebnisse
Insgesamt wurden im Rahmen von I-LENA sieben innovative Schallschutzwände getestet, die sich u.a. im Material und der Konstruktion unterscheiden. Sieben unterschiedliche Schallquellen, wie z.B. ein Abbruchbagger, eine Vibrationsramme, ein Strom-Generator oder eine Walze kamen zum Einsatz. Sieben Mikrofone wurden hinter jeder Wand in drei unterschiedlichen Abständen installiert, um den Schall zu messen. Insgesamt wurden mehr als 3000 Messungen durchgeführt. „Da kommt eine Menge an Daten zusammen, die ausgewertet werden müssen“, sagt der Akustik-Experte.
Tabellen, Graphen und Kurven
Welche Frequenzen absorbiert die Wand besonders gut? Um wie viel Dezibel kann die Wand den Lärm reduzieren? All diese Fragen kann Sascha nach seiner Auswertung beantworten. Doch zwischen der Datenerhebung und dem finalen Messbericht, der all diese Fragen beantworten kann, liegt jede Menge Arbeit.
„Wir bewerten Messdaten, beschreiben die Eigenschaften der Wände und stellen Vergleiche her“, beschreibt der gelernte Ingenieur seine Arbeit.
Beispielsweise geben die Messungen Sascha und seinem Team zum Beispiel Auskunft darüber, wie viel Dezibel die einzelnen Wände absorbieren. Entscheidend für die Bewertung der Effektivität der mobilen Schallschutzwände ist die Referenzmessebene. Innerhalb dieser Messebene wurde zwischen der Emissionsquelle, z.B. Bagger, Strom-Generator oder Walze, und den Messmikrofonen, keine Wand aufgebaut. Aus dem Vergleich der gemessenen Schalldruckpegel mit und ohne Wand können die Experten nun beurteilen, wie effektiv die getesteten Schallschutzwände den Lärm reduzieren.
Eine Frequenz ist wie eine Farbe
Durch die Darstellung der Messwerte in Diagrammen kann der gelernte Raumfahrttechniker genau sagen, welche Frequenzen durch die Wände gut oder weniger gut absorbiert werden. Sascha erklärt, dass ein Geräusch aus verschiedenen hohen und tiefen Frequenzen unterschiedlichen Intensität besteht.
„Man kann sich das wie mit einem Lichtstrahl vorstellen“. Jeder hat bestimmt schon mal gesehen wie Licht durch ein Prisma in unterschiedliche Farbe gespalten wird. Der Lichtstrahl ist das Geräusch und die Farben die Frequenzen, aus denen das Geräusch besteht. Wenn der Lichtstrahl auf einen Filter trifft werden einzelne Frequenzen herausgefiltert, der Lichtstrahl verändert seine Farbe und wird auch etwas dunkler. Eine Schallschutzwand fungiert ähnlich, sie dämmt bestimmte Frequenzen besser wie andere, dadurch ändert sich das Geräusch hinter der Wand maßgeblich. Und natürlich wird auch die Lautstärke des Geräusches insgesamt verringert. Jede der untersuchten Schallschutzwände filtert einzelne Frequenzen besser als die anderen heraus.
Auf Basis der Analyse der Messwerte kann Sascha die individuellen Eigenschaften der verschiedenen Schallschutzwände genau beschreiben. Die Ergebnisse fasst er in einem detaillierten Abschlussbericht zusammen und übergibt ihn an die Gesamtprojektleitung I-LENA. Nach eingehender Prüfung wird der Abschlussbericht ans BMVI und EBA übergeben und zeitnah den Herstellern der Wände zur Verfügung gestellt.
Von der Theorie in die Praxis
Nicht nur für die Hersteller, sondern auch für die DB sind Messungen wie in Tüßling, welche unter realen Bedingungen durchgeführt werden, enorm wichtig. Durch die Tests erhält die Bahn in der Praxis gewonnene Werte für die Wirkung der verschiedenen Wände. „Die Hersteller haben die Wände voraussichtlich alle schon in akustischen Laboren getestet. Auf dieser Basis können sie sagen, wie viel Dezibel, die Wand dämmt“, erzählt Sascha. Durch den Versuch vor Ort auf dem Messfeld können wir die Werte, die die Hersteller angeben, nicht nur verifizieren, sondern auch unter realen Bedingungen – außerhalb des Labors – testen. Dadurch erhält man ein realistisches Bild der Wirksamkeit der Wände.
Besserer Schutz für die Öffentlichkeit
Seine Arbeit fasst Sascha noch einmal zusammen: „Unser Ziel ist es, ganz genau zu wissen, um wie viel Dezibel und in welchen Frequenzbereichen die einzelnen Wände den Baulärm reduzieren können. Durch die fundierten Ergebnisse, die wir aus den Messungen entlang der ABS 38 erhalten, können wir noch gezielter die Öffentlichkeit vor Belastungen schützen.“