Laborbedingungen auf der grünen Wiese

Ein Interview mit Dr. Bernd Asmussen

Dr. Bernd Asmussen ist Lärmschutzexperte bei der DB AG.

Wenn man in der Öffentlichkeit von Lärmschutz spricht, denken viele meist nur an hohe Aluminiumwände. Dass es viel mehr Lärmschutzmaßnahmen gibt und die Bahn, gemeinsam mit dem Bund, an innovativen Technologien forscht, ist vielen nicht bekannt. Wir haben mit einem Lärmschutzexperten der DB, Dr. Bernd Asmussen, über die “Initiative - Lärmschutzerprobung neu und anwendungsorientiert“ (I-LENA) gesprochen und ihn gefragt, was diese Initiative mit der ABS 38 zu tun hat.

Herr Dr. Asmussen, was ist I-LENA und was wird im Rahmen der Initiative genau gemacht?

I-LENA ist ein Gemeinschaftsprojekt von Bund und Bahn, um neue Schallschutztechnologien im realen Betrieb zu erproben. Den Fokus legen wir dabei auf Maßnahmen, die Schall an einer der zwei Hauptquellen – der Infrastruktur – minimiert, also zum Beispiel an der Schiene. Auch der Zug ist eine Schallquelle, diese ist aber nicht Teil unserer Initiative.

Dann werden an der Ausbaustrecke München–Mühldorf–Freilassing innovative Lärmschutztechnologien getestet?

An der ABS 38 gibt es eine Besonderheit, dort werden Schallschutzmaßnahmen gegen Baulärm getestet. Es wird jedes Jahr viel Geld in die Infrastruktur investiert, um die Bahn für Personen und Güter wieder zum attraktiven Verkehrsträger zu machen. Diese Investitionen gehen einher mit viel Bautätigkeit. Um den Lärm, der beim Bau entsteht, einzuschränken, testen wir in Tüßling fünf mobile Lärmschutzwände. Anders als bei den anderen Untersuchungen im Rahmen von I-LENA, wo Schallschutzmaßnahmen am oder im Gleis während der Vorbeifahrt von Zügen getestet werden, dienen hier unterschiedliche Baumaschinen als Schallquelle.

Und warum in Tüßling?

Im Rahmen von I-LENA möchten wir Ergebnisse erzielen, die nahezu allgemein gültig sind und damit auf andere Projekte übertragbar sind. In Tüßling finden wir optimale Bedingungen für den Test vor. Zum einen haben wir einen geringen Umgebungslärm, u.a. weil ein Kieswerk weit genug weg ist, wodurch die Testergebnisse nicht verfälscht werden und zum anderen befindet sich dort kaum Bebauung, wodurch der Lärm sich ungehindert ausbreiten kann. Wir testen in Tüßling unter Laborbedingungen auf der grünen Wiese.

Sobald die Tests der fünf Lärmschutzmaßnahmen im Sommer vorbei sind, bewerten wir die Wirksamkeit der Maßnahmen. Wenn die Ergebnisse so sind, wie wir sie auf Grund der guten Bedingungen erwarten, können wir sie auf beliebige andere Situationen übertragen.

Und was ist an den Maßnahmen so neu?

Zunächst einmal geht es darum, mobile Schallschutzwände zu testen, die variabel im Aufbau sind und flexibel an die jeweilige Situation, die sich beispielsweise durch den Fortschritt einer Baumaßnahme ergibt, angepasst werden können. Unterschiedliche Materialien wie z.B. schallabsorbierende Matten oder Luftkissen werden zum Einsatz kommen.

Genauso wichtig es uns aber auch, die Ausbreitung des Lärms hinter einer mobilen Schallschutzwand zu untersuchen. Dies werden wir mit einer Vielzahl von Mikrofonen tun, um daraus die optimale Anordnung von Schallschutzwänden zum Schutz der Anwohner vor Baulärm ableiten zu können.

Welche weiteren Maßnahmen werden im Rahmen von I-LENA untersucht?

Wir untersuchen insgesamt etwa 30 Technologien – von Möglichkeiten zur Vermeidung des Kurvenquietschens bis hin zu innovativen Lärmschutzwänden. Das Projekt ist offen für alle Hersteller von Lärmschutzmaßnahmen – national und international. Es sind viele spannende Technologien dabei und ich bin gespannt, welche Ergebnisse wir Ende 2020 vorliegen haben, wenn das Projekt I-LENA abgeschlossen wird.

Wenn die Tests erfolgreich waren, ist es wahrscheinlich, dass die Maßnahmen zugelassen werden?

Bereits für die Versuche im Rahmen von I-LENA müssen die untersuchten Technologien alle erforderlichen Zulassungen des Eisenbahn-Bundesamtes und der DB besitzen. Dort wo wir direkt am Gleis Tests durchführen, muss die Sicherheit des Bahnbetriebs zu jeder Zeit gewährleistet sein. Sollten die Testergebnisse der untersuchten Technologien überzeugend und die Wirksamkeit der Maßnahme eindeutig sein, können die Hersteller beim Eisenbahn-Bundesamt eine Aufnahme als innovative Technologie zum aktiven Lärmschutz in die Gesetzgebung zum Immissionsschutz beantragen. Nur so wird die Technologie rechtssicher und kann als Maßnahme in Lärmschutzgutachten berücksichtigt werden.