Streckenhistorie
Die ABS 38 hat eine lange Geschichte
Vor 150 Jahren kam die Eisenbahn mit der Staatsbahnstrecke München–Simbach nach Südostbayern. Sie sollte als Teil einer West-Ost-Transversale die Verbindung von Paris nach Wien abkürzen, doch diese ihr zugedachte glanzvolle Rolle spielte sie nur bis kurz vor dem Ende des 19. Jahrhunderts. Ihr westliches Teilstück München–Mühldorf kam in den Jahren 1909 bis 1914 zusammen mit der neu gebauten Strecke Mühldorf–Freilassing in das Fernverkehrsnetz zurück, doch die Erwartung, die so entstandene Verbindung München–Mühldorf–Salzburg dauerhaft als Teil einer Nord-Süd-Route nach Triest zu etablieren, machte der Erste Weltkrieg nachhaltig zunichte.
Am 14. November 1992 braust der Eilzug E 3440 Burghausen–München Hbf an der malerischen Kulisse vorüber, die das Dorf Niedergeislbach abgibt.
Erst sieben Jahrzehnte später kam wieder der Gedanke auf, die beiden Strecken München–Mühldorf und Mühldorf–Freilassing zu einer leistungsfähigen Schienenverbindung auszubauen, um die längst gebotene Entlastung der über Rosenheim führenden Linien zu erreichen. Mit der Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan 1985 schlug die Geburtsstunde der ABS 38 München–Mühldorf–Freilassing. Zu ihrer langen (Vor-)Geschichte hat Karl Bürger, Verfasser eisenbahnhistorischer Publikationen, eine umfassende Bildergalerie zusammengestellt. Sie sind nun eingeladen, mit dieser Bildergalerie die „Vorzeit“ der ABS 38 zu durchstreifen.
Die Bauarbeiten an der Strecke München–Simbach starteten im Frühjahr 1868. Ein Heer billiger Arbeitskräfte war bei den gewaltigen Erdbewegungen eingesetzt, die zur Herstellung der Einschnitte und Dämme erforderlich waren – alles in reiner Handarbeit, mit primitivstem technischen Gerät, und es erscheint heute unvorstellbar, welch mörderische Leistungen den im Akkord schuftenden Menschen abverlangt wurden.
Durch den 19 m tiefen und 1,5 km langen Einschnitt bei Obergeislbach jagt am klirrend kalten 22. Februar 1993 die 218 355 mit dem N 4415.
Die für die Dammschüttung über das Hammerbach- und Strogental nicht benötigten Erdmassen wurden westlich von Obergeislbach abgelagert. Diese als „Bahnberg“ bezeichneten terrassenförmigen Aufschüttungen sind bis heute unverändert erhalten. Nach den Planungen soll dort einmal die Walpertskirchener Spange zum Flughafen abzweigen. Hierfür muss für das vorgesehene Überwerfungsbauwerk ein Teil des „Bahnbergs“ abgetragen werden.
Links: Blick vom 18 m hohen Bahndamm über das Hammerbachtal auf Walpertskirchen am 6. Juli 2017. Rechts: Herrlicher weiß-blau-bayerischer Himmel schwebt am 17. September 1995 über dem „Bahnberg“ bei Obergeislbach.
Den Grunderwerb für den Streckenbau ließ die Generaldirektion der königlich bayerischen Verkehrsanstalten großzügig vornehmen. Mit Ausnahme von zwei Stellen wurde der Bahnkörper von Anfang an für die Aufnahme von zwei Gleisen vorbereitet.
Bei Esterndorf erstreckt sich das Bahnareal südlich des Gleises auf dem linken Foto bis zum rechten Bildrand. Am 29. Januar 2015 passiert RB 27050 dieses breit angelegte Streckenstück.
Auch bei den z.T. erst nach der Streckeneröffnung erbauten Wegüberführungen wurde der zweigleisige Ausbau berücksichtigt. Im Zuge der Bahnreform gingen die Weg- und Straßenüberführungen am 1. Januar 1994 in das Eigentum der jeweiligen Kommune über – und „erbten“ damit die Erhaltungslast. Für diese Straßenüberführung bei Wimpasing am ehemaligen Schrankenposten 7 hat sie die Gemeinde Ottenhofen zu tragen. (Bild vom 1. März 1979)
Wo auf dem linken Bild (vom 19. November 1978) die Schienenstränge am Horizont zusammenlaufen, wendet sich die Bahntrasse bei Schwarzhölzl in einer markanten Kurve nach Osten. Am 26. August 1979 durcheilt sie 218 396 mit dem E 3485 nach Simbach am ehemaligen Schrankenposten 12.
Großzügig wurde auch der Grunderwerb für die „Stationsplätze“ vorgenommen. So berücksichtigte das Areal für die 1871 als einfache „Haltstelle“ konzipierte Station Hörlkofen den späteren Einbau von zwei Ausweichgleisen. Während sich das Ausweichgleis auf der Nordseite bis heute in Betrieb befindet, wurde das zweite Ausweichgleis nie gelegt. Die dafür vorgesehene Trasse befindet sich auf der Südseite des durchgehenden Hauptgleises.
Am 2. November 1992 hat die 218 341 mit dem E 3440 von Burghausen auf dem Ausweichgleis die Kreuzung mit dem N 4413 Markt Schwaben–Thann-Matzbach abgewartet.
Viel Platz war auch von Anfang an für die Station Dorfen vorgesehen, die 1871 dreigleisig angelegt worden war und bis 1985 sechs Gleise aufwies. Dieses Bild vom 9. April 1985 zeigt die umfangreichen Gleisanlagen kurz vor dem Beginn der ersten Rückbaumaßnahmen.
Die Bahntrasse erforderte zahlreiche Brückenbauwerke. Alle Brücken der Strecke wurden bereits bei ihrer Errichtung für den zweigleisigen Ausbau vorbereitet – freilich nach damaligen, heute nicht mehr brauchbaren Normen.
Eine imposante Eisenfachwerkkonstruktion ist die Brücke über die Schwillach, die hier der E 3409 am 14. Dezember 1991 befährt.
Teils in Beton, teils in Ziegelmauerwerk wurden die Eisenbahnüberführungen erbaut. Die Lichtweiten der „Durchfahrten“, wie man sie damals nannte, waren für Pferdefuhrwerke bemessen. Seit der Motorisierung gelten die Bauwerke als Verkehrshindernisse. An der Eisenbahnüberführung bei Herdweg wird am 10. September 1994 das Streckengleis erneuert.
Drei aus Ziegeln gemauerte und auf Nagelfluhfundamenten gegründete Eisenbahnüberführungen sind bei Unterschwillach (in Bahn-km 35,564; links), am ehemaligen östlichen Ende der Station Walpertskirchen (km 32,585, MItte) und östlich des Bahnhofs Thann-Matzbach (km 39,152, rechts) in den Bahndamm eingefügt.
Während das Gewölbe bei Unterschwillach von der Dammkrone überdeckt wird (Bild vom 22. Januar 2017) trägt das 8,50 m hohe Bauwerk in Walpertskirchen das Gleisbett (Bild vom 14. Dezember 2014), ebenso dasjenige bei Thann-Matzbach (Bild vom 24. Oktober 2000). Die Tage der bestehenden Eisenbahnüberführungen sind gezählt.
Im Bahnhof Hörlkofen muss der Fahrdienstleiter die Schranken von drei Bahnübergängen bedienen. Am westlichsten davon, an der Straße nach Hohenlinden, oblag diese Aufgabe bis 1989 einem Wärter vor Ort, der in einer Wellblechbude seinen Dienst verrichtete. In den 1910er-Jahren war Simon Faschinger Schrankenwärter am Posten 10, den der Fotograf Joseph Eixenberger bei der Vorbeifahrt eines Güterzuges mit einer Lok der Klasse D XII ablichtete (links). Zu dieser Zeit querten fast ausschließlich Pferdefuhrwerke die Gleise, aber auch am 13. Januar 2006 befuhr ein solches Gespann den Bahnübergang Rottmanner Straße am östlichen Ende des Bahnhofs Hörlkofen (rechts).
Die Wellblechbuden, die die Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen hauptsächlich für die Schrankenwärter errichten ließ, säumten sehr zahlreich die bayerischen Bahnstrecken. Die Wärterbude, die bis 1989 am Posten 10 stand, ist seit 2014, restauriert und mit der Inneneinrichtung ausgestattet, Teil eines kleinen Eisenbahnmuseums am Haltepunkt Walpertskirchen. Darin kann der Arbeitsplatz des Wärters, so wie er fast 100 Jahre aussah, besichtigt werden. (Bild vom 13. August 2017)
Die im Zuge des Streckenbaus errichteten Wärterhäuser entstanden nach einheitlichem Baumuster. Diese in Sichtziegelmauerwerk erbauten Häuschen im Grundriss von 10x6,20 m (ohne Anbau) waren wie die Wellblechbuden charakteristisch für alle in den 1870er- und 1880er-Jahren in Bayern gebauten Bahnlinien.
Die Familie des Wärters, der ein derartiges Heim zugewiesen worden war, konnte sich glücklich schätzen, zumal fast alle Räume beheizt werden konnten – für damalige Verhältnisse geradezu luxuriös.
Am 30. Januar 1977 präsentiert sich das Wärterhaus am ehemaligen Schrankenposten 13 bei Obergeislbach noch so, wie es 1871 erbaut wurde.
Gemessen an den vor der Streckeneröffnung zur Verfügung stehenden Verkehrsmitteln Postkutsche und Pferdefuhrwerk revolutionierte die Eisenbahn den Transport von Personen und Frachten. Ein mit einer Bahnstation ausgestatteter Ort hatte den immensen Vorteil, mit der modernsten und leistungsfähigsten Verkehrsinfrastruktur ausgestattet zu sein, die die damalige Zeit zu bieten hatte. Das galt sowohl für den Personen-, aber noch mehr für den Güterverkehr. Gerade auf dem Land entwickelte sich der Güter- und Viehverkehr für die kgl. Staatsbahn zu einem sehr profitablen Geschäftszweig. Da so auch die Landstationen ansehnliche Verkehrsmengen zu bewältigen hatten, erzielten sie respektable Einnahmen.
Gegenüber den Landstationen wirkten die in den Knotenpunkten Haidhausen (ab 1876: München Ost, linkes Bild) und Mühldorf errichteten sehr repräsentativen Bahnhofsgebäude geradezu monumental (Fotos: Verkehrsmuseum Nürnberg).
Die Betriebshauptgebäude der Stationen II. Classe Feldkirchen und Walpertskirchen entstanden weitgehend baugleich nach demselben Baumuster. In dieser prägnanten, italienischen Palazzos ähnelnden Architektur kamen in den 1870er-Jahren im Königreich Bayern zahllose ein- und zweistöckige Stationsgebäude zur Ausführung. Später nannte man sie aufgrund ihrer Form und ihren flachen Walmdächern „bayerische Würfel“. Während die ursprünglichen Sichtziegelfassaden des Feldkirchener Empfangsgebäudes verputzt wurden, wurde das Walpertskirchener (im Bild) 1976 so wie es 1871 erbaut wurde, abgerissen. Zwischen den beiden Aufnahmen von 2015 und 1975 liegen fast auf den Tag genau 40 Jahre.
Die Betriebsgebäude der Haltstellen Poing, Hörlkofen und Weidenbach wurden ebenfalls nach gleichem Baumuster ausgeführt. Dasjenige in Poing steht, verputzt und umgebaut, samt Nebengebäude noch heute (links). Am 10. Februar 2015 donnert 233 117 mit einem langen Kesselwagenzug aus Burghausen daran vorüber.
Die Betriebsgebäude in Hörlkofen und Weidenbach wurden 1893 nach Osten hin erweitert und aufgestockt. Auf dem Bild oben rechts (Ausschnitt aus einer Ansichtskarte) ist am Ziegelmauerwerk deutlich die Aufstockung zu sehen. Das ursprüngliche einstöckige Gebäude hatte nur die Breite der drei doppelflügeligen Türen und der darüber befindlichen drei Fenster im ersten Obergeschoss.
Dieselben geringen Ausmaße wie dasjenige in Poing wies das ursprüngliche Weidenbacher Betriebsgebäude auf, allerdings spiegelbildlich. Bei der 1893 vorgenommenen Erweiterung wurde von den drei Türen im Erdgeschoß die rechte zugemauert (ebenso das darüber befindliche Fenster im 1. Stock) und an die Stelle der mittleren Tür trat ein Fenster. Hinter den Blindfenstern auf der Gleisseite befindet sich jeweils die östliche Außenwand des ursprünglichen Haltstellgebäudes. 1893 erhielt die Station Poing ein neues Betriebshauptgebäude, das bis heute steht (rechts).
Dem Verkehrsaufkommen entsprechend weisen die Betriebshauptgebäude der Stationen Schwaben und Dorfen wesentlich größere Dimensionen auf. Die Gemeinde und die Station Schwaben erhielten 1923 den Namen Markt Schwaben, die Station Dorfen 1903 die Bezeichnung Dorfen Bahnhof (so heißt sie noch heute). Die Stationsgebäude wurden mit beiderseitigen Flügelanbauten erweitert. Fotos: Verkehrsmuseum Nürnberg
Typische Vertreter „bayerischer Würfel“ in zweistöckiger Ausführung sind die Betriebshauptgebäude in Schwindegg und Ampfing. Am 25. Dezember 1978 präsentieren sich die einstigen Backsteinbauten in etwas grellen Anstrichen
Der Bahnhof Thann-Matzbach ist der jüngste an der Strecke München–Mühldorf. Er ging 1887 aus einem Schrankenposten hervor. Die Station hatte bis 1900 den Namen Thann-Lengdorf. Am 28. November 1981 präsentiert sich das stattliche Empfangsgebäude noch mit seinen ursprünglichen Strukturputz-Fassaden.
Ebenfalls aus einem Schrankenposten entstand der Haltepunkt Wasentegernbach. Er ging am 15. Oktober 1898 in Betrieb und wurde nach 90 Jahren aufgelassen. Am 28. Mai 1988 hielt dort der letzte Zug.
Das „gewöhnliche Publicum“ fuhr mit dem „Postzug“ (der so genannt wurde, weil er auch Postsendungen zu transportieren hatte) oder mit dem Güterzug, der auch der Personenbeförderung diente. Obwohl für die „einfachen Unterthanen“ die „Billete III. Classe“ nicht billig waren, hatten – wenn auch meistens nur gelegentliche – Fahrten mit dem neuen Verkehrsmittel schon bald ihren festen Platz im Leben der Bevölkerung. Man fuhr zu Märkten, Behörden und Gerichtsterminen, zu Wallfahrten und zu anderen kirchlichen Ereignissen. Herrschaften dagegen reisten im „Courierzug“, für den eine um 20 % höhere „Personentaxe“ zu entrichten war. Ab 1872 reiste die Haute volée mit dem Courierzug in der teuren I. oder II. Classe von Paris nach Wien – über Mühldorf und Simbach.
1883 erschien auf dieser Strecke der Zug aller Züge, der durch seinen Komfort alles Bisherige in den Schatten stellte: der legendäre Orient-Express. Als er am 5. Juni 1883 zum ersten Mal aus dem Pariser Gare de l’Est dampfte, seinem Ziel Giurgiu in Rumänien an der bulgarischen Grenze entgegen, zeichnete er die Bahnlinie München–Mühldorf–Simbach mit dem glamourösesten Zug aus, den der Kontinent zu bieten hatte. Damit zählte die Strecke für 14 Jahre zu den europäischen Linien, auf der die große Welt reiste.
Auf seinem Weg nach Wien verließ der Orient-Express mittags den Münchener Centralbahnhof, und aus der Donaumonarchie kommend ratterte er weit nach Mitternacht durch die nächtliche Stille Südostbayerns. Ab 1. Mai 1897 nahm der Luxuszug den Weg über Rosenheim. Beim Grenzaufenthalt in Simbach entstand 1896 dieses Bild.
Nicht zuletzt um den Wünschen der Militärs gerecht zu werden, ließ die kgl. Staatsregierung 1873 ein „generelles Projekt“ für eine Bahn von Mühldorf nach Freilassing ausarbeiten. Gebaut wurde jedoch aus militärischen Gründen eine Bahnlinie, die Landshut mit Neumarkt a.d. Rott an der 1875 eröffneten Strecke Mühldorf–Plattling verbindet. Mehr als zwei Jahrzehnte hatten sich die an der Salzach liegenden Städte Burghausen, Tittmoning und Laufen vergeblich für eine Bahnverbindung entlang dieses Grenzflusses eingesetzt. Der erfolglose Kampf um diese Bahn veranlasste die Stadt Laufen 1884, den Bau einer in Freilassing abzweigenden Stichstrecke im Status einer so genannten „Sekundärbahn“ zu beantragen. Es gingen sechs Jahre ins Land, ehe diese 12,32 km lange Bimmelbahn am 14. Juni 1890 eröffnet werden konnte – nun nach den hierfür geltenden Normen als „Lokalbahn“, deren Endstation Laufen nach einer kurvigen Streckenführung auf dem Barthfeld errichtet worden war.
Nach der Inbetriebnahme der Laufener Lokalbahn setzten die Tittmoninger Honoratioren alles daran, die Weiterführung der Bahn nach Tittmoning zu erreichen – mit Erfolg: Nach einer Bauzeit von nur einem Jahr ging die verlängerte Lokalbahn zum nunmehrigen Endpunkt Tittmoning am 1. Mai 1894 in Betrieb. Die Lokalbahnstrecken nach Laufen bzw. Tittmoning nahmen eine Sonderstellung unter den bayerischen Lokalbahnen ein, denn sie waren so gebaut worden, dass ihre Trassen – mit Ausnahme der gewundenen Streckenstücke zu den Stationen Laufen und Tittmoning – für eine spätere Hauptbahn verwendet werden konnten.
Auch die traditionsreiche Salzachstadt Burghausen unternahm mehr als zwei Jahrzehnte alles, um einen Bahnanschluss zu erhalten. Ihre beharrlichen Bemühungen hatten 1897 zum ersehnten Erfolg geführt, als die Lokalbahn Mühldorf–Burghausen am 9. August eröffnet wurde. Auch sie war ein Sonderfall unter den bayerischen Lokalbahnen, denn ein Teilstück ihrer Trasse sollte ebenfalls später Teil einer Hauptbahn nach Freilassing werden. So wurde die Burghausener Bahn von Mühldorf bis Altötting sogleich nach den für eine Hauptbahn geltenden Normen trassiert, auch um in Mühldorf ankommende Züge zum Wallfahrtsort weiterführen zu können. Am 1. Mai 1897 ging das Teilstück bis Altötting in Betrieb. Die Trasse von Altötting bis Burgkirchen wurde wiederum für einen Umbau zur Hauptbahn vorbereitet. Nur der restliche Abschnitt bis Burghausen wurde als reine Lokalbahn gebaut.
Nachdem das k.k. österreichische Eisenbahnministerium am 27. Juni 1902 erklärt hatte, die Tauernbahn mit ihrem über 8 km langen Scheiteltunnel werde „spätestens bis Oktober 1908“ eröffnet, nahm das vielfach geforderte Hauptbahnprojekt Mühldorf–Freilassing Gestalt an, denn in Bayern setzte man nun darauf, durch den Lückenschluss zwischen Mühldorf und Freilassing eine auf kürzestem Wege Nord- und Mitteldeutschland mit Triest verbindende Linie zu schaffen.
- Das Gesetz vom 22. März 1906 machte den Weg frei für
- den Umbau der Lokalbahn von Wiesmühl b. Tittmoning bis Freilassing inklusive der Stationen,
- die Anpassung der Burghausener Bahn,
- den Streckenneubau zwischen Tüßling und Wiesmühl b. Tittmoning,
- den Bau der Bahnhöfe Mauerberg, Garching, Kichweidach und Tyrlaching und
- den Bau der neuen Hauptbahn-Bahnhöfe Tüßling und Laufen sowie der hierzu erforderlichen Neutrassierung
Blick auf die Lokalbahn-Endstation Laufen auf dem Barthfeld, in der ein Zug nach Freilassing steht. Er ist bespannt mit einer Mallet-Lok der Klasse BB II.Foto: Sammlung Franz Moderegger, Stadtmuseum Freilassing
Die Hochbauten der nach Tittmoning verlängerten Lokalbahn wurden nach bereits andernorts verwendeten Bauplänen ausgeführt, davon abweichend aber nicht in Sichtziegelmauerwerk, sondern mit sehr gefälligen Fassaden aus Nagelfluh- und Tuffsteinen. 1902 ließen sich die Eisenbahner mit der Lok D XI Nr. 2047 vor dem Betriebshauptgebäude der Endstation Tittmoning ablichten. Foto: Sammlung Franz Moderegger, Stadtmuseum Freilassing
Mit dem Stolz ihres Berufsstandes ließen sich die Bediensteten der Lokalbahn-Endstation Burghausen ablichten – inklusive der Fahrrad-Draisine. Diese alte Station an der Tittmoninger Straße wurde 1940 aufgegeben. Seither befindet sich der Burghausener Bahnhof am heutigen Standort. Foto: Lichtbildstelle der Bundesbahndirektion Nürnberg
1907 startete der Bau der Hauptbahn Mühldorf–Freilassing. Sie ging am 1. Dezember 1908 in Betrieb. Ihre Baukosten bezifferten sich auf zwölf Millionen Mark, woran die Kunstbauten erheblichen Anteil hatten. 252.000 Mark kostete die imposante Steinbogenbrücke über die Alz bei Garching, die mit ihren drei Hauptöffnungen bis heute beeindruckt. Am 28. November 2016 befährt sie RB 27088 Freilassing–Landshut.
Die 1908 erbauten Bahnhofsgebäude der Strecke Mühldorf–Freilassing weisen eine typische und einmalige Architektur in zwei Baumustern auf, wovon das größere von beiden in den Stationen Tüßling, Garching, Wiesmühl b. Tittmoning und Laufen zur Ausführung kam. Es besteht aus drei Gebäudeteilen: An einen Mitteltrakt mit Satteldach, dessen Giebel zur Gleis- bzw. Straßenseite gewandt sind, schließen sich beiderseits Seitentrakte mit unterschiedlich hohen Walmdächern an. Während der mit hohem Dachfirst versehene Trakt dem Publikum zugänglich ist, beherbergt der andere mit niedrigerem Dach (außer in Garching) das Stellwerk und das Büro des Fahrdienstleiters (wobei für Tüßling beides nicht mehr zutrifft).
Nach weitgehend identischem Bauplan wurden die Empfangsgebäude der Bahnhöfe Tüßling und Garching errichtet. Der nördliche Seitentrakt des Garchinger Gebäudes (rechts) wurde später erweitert. Aufnahmedatum: 26. Oktober 2007 (links) und 13. August 2016
In Wiesmühl b. Tittmoning und Laufen sind die seitlichen Gebäudetrakte spiegelbildlich zu denjenigen in Tüßling und Garching angeordnet. Der Bahnhof Wiesmühl b. Tittmoning wurde 1992 in Tittmoning-Wiesmühl umbenannt. Aufnahmedatum: 9. April 2007 (rechts) und 26. Oktober 2007
Mit dem kleineren Baumuster wurden die übrigen Bahnhöfe – Tyrlaching ausgenommen – ausgestattet. Diese Variante umfasst nur zwei ebenerdige Gebäudeteile mit ineinandergesetzten Walmdächern. Weitgehend baugleich kam dieser Gebäudetyp in Kirchweidach, Kirchanschöring und Surheim zur Ausführung, und wiederum spiegelbildlich zu diesen in Mauerberg und Fridolfing. Die Station Tyrlaching musste mit einem wesentlich kleineren Betriebsgebäude auskommen. Aufnahmedatum: 26. Oktober 2007
Während des Ersten Weltkriegs mussten vielfach Frauen den Dienst der zum Militär einberufenen Eisenbahner übernehmen – was sich im Zweiten Weltkrieg wiederholte. Und nach beiden Kriegen schickte man die Frauen wieder zurück an den Herd. Dem Stationsmeister in Surheim wurde im Ersten Weltkrieg eine „weibliche Arbeitskraft im Stationsdienst“ zugeteilt.
Während des Zweiten Weltkrieges übernahmen dienstverpflichtete Frauen bei der Reichsbahn vielfältige Aufgaben, z.B. sorgten sie als „Lampistinnen“ dafür, dass die mit Petroleum befeuerten Signallaternen zuverlässig funktionierten (links, Aufnahme von 1943 am westlichen Einfahrsignal des Bahnhofs Thann-Matzbach). Auch als Zugbegleiterinnen ersetzten sie die Schaffner und Zugführer, nur auf die Lokomotiven durften sie nicht (rechts, Aufnahme Sommer 1944 in Mühldorf).
Für die kriegsbedingt immer länger werdenden Wehrmachts- und Güterzüge wurde vielfach die Verlängerung der Überholungsgleise in den Bahnhöfen angeordnet, so auch 1941 im Bahnhof Walpertskirchen. Hierfür musste die westliche Eisenbahnüberführung in Bahn-km 31,990 für die Aufnahme von zwei Gleisen erweitert werden. Diese Verbreiterung ist bis heute sichtbar: neben der genieteten Stahlkonstruktion, auf der das durchgehende Hauptgleis liegt, ist auf die Widerlager eine weitere, aus Stahlbeton gefertigte Brückentafel aufgesetzt. Auf der Brückenbaustelle kamen ein Dampfkran zum Einsatz und von Soldaten bewachte Kriegsgefangene.
Während des Krieges wurden die Sicherheitseinrichtungen der Reichsbahn zunehmend vernachlässigt oder sogar stillgelegt. 1944 musste auf Anordnung des Reichsverkehrsministeriums die auf vielbelasteten Hauptbahnen bereits eingebaute Induktive Zugsicherung (Indusi) abgeschaltet werden. Und da es vielfach – wie auf der Strecke München–Mühldorf – noch keinen Streckenblock gab, lag die sichere Abwicklung des Zugverkehrs einzig und allein in den Händen der verantwortlichen Fahrdienstleiter. Am Morgen des 8. Januar 1941 kam es bei Wasentegernbach zu einem Zusammenstoß eines Wehrmachtzuges mit einem Nahgüterzug. Dieses Zugunglück forderte einen Toten und vier Verletzte.
Auf der Strecke Mühldorf–Freilassing dagegen wurde der Streckenblock noch 1944 eingebaut – nicht zuletzt wegen der Regierungssonderzüge, mit denen der „Führer“ und sein Gefolge zwischen Berlin und dem Obersalzberg bei Berchtesgaden hin- und herfuhren.
Während auf höhere Anordnung die Überholungsgleise in den Bahnhöfen verlängert wurden, erfolgte 1942 der Rückbau des Richtungsgleises München–Mühldorf zwischen den Bahnhöfen Feldkirchen und Markt Schwaben. Das Oberbaumaterial verschwand, so wird vermutet, in den Weiten Russlands. Es sollte bis 1956 dauern, bis die Zweigleisigkeit bis Markt Schwaben wiederhergestellt war.
Der zweigleisige Ausbau der Strecke München–Mühldorf hatte bereits 1909 begonnen. Bis 1911 wurde der Abschnitt München–Markt Schwaben mit dem zweiten Gleis ausgerüstet, und dort endet es bis heute. Die Eingleisigkeit rief immer wieder Kritik hervor, insbesondere nach den Zugunglücken. Am 13. Oktober 1909 waren im Bahnhof Thann-Matzbach zwei Güterzüge zusammengestoßen. Ursache war ein Fehler des Stationsbeamten, der ihm – ähnlich wie 42 Jahre später in Walpertskirchen – bei der Abwicklung der Kreuzung der Züge unterlief. Im Gegensatz zur Walpertskirchener Eisenbahnkatastrophe forderte der Unfall in Thann-Matzbach keine Toten, aber 13 Eisenbahner kamen zu Schaden, die als Bremser auf den Güterwagen eingesetzt waren. Am Morgen des 8. November 1951 prallte ein Personenzug frontal auf einen im Bahnhof Walpertskirchen stehenden Güterzug. 16 getötete und 41 verletzte Fahrgäste waren die traurige Bilanz dieses schweren Unglücks.
Am 19. März 1945 verwandelt ein Bomberverband die Bahnanlagen in Garching und Mühldorf zu Trümmerwüsten. Am folgenden Tag erfolgt ein weiterer Bombenangriff auf den Bahnhof Mühldorf, der erneut viele Tote und Verletzte fordert. Sogleich nach den Bombardierungen werden Arbeitstrupps eingesetzt, um die Bahnhöfe wieder befahrbar zu machen.
Von der Nachkriegszeit bis zu den 1990er-Jahren hatte sich an den Strecken München–Mühldorf und Mühldorf–Freilassing nur sehr wenig verändert, sieht man davon ab, dass 1970 der Abschnitt München–Markt Schwaben für die S-Bahn elektrifiziert wurde, die dort seit 1972 für ein modernes Erscheinungsbild sorgt. Seit Anfang der 1970er ist auch die Dampftraktion verschwunden. Doch östlich von Markt Schwaben blieb noch lange Zeit alles so wie vor Jahrzehnten: Die mechanischen Stellwerke, die Formsignale mit ihren löffelartigen Flügeln, ebenso die niedrigen Bahnsteige und die handbedienten Schrankenposten.
Mechanische Stellwerke erfordern im Vergleich zu moderner, rechnergesteuerter Sicherungstechnik einen hohen Personalaufwand. Während mechanische Stellwerke vor Ort durch einen Fahrdienstleiter bedient werden müssen, kann von einem elektronischen Stellwerk (ESTW) aus der Fahrbetrieb einer ganzen Strecke dirigiert werden. Unterbleiben jedoch die Investitionen in moderne Technik, wird der Bahnbetrieb zu einer auf Dauer kostspieligen Angelegenheit. Dass die alten mechanischen Sicherungseinrichtungen lange Zeit nicht ersetzt wurden, lag sowohl an chronischem Geldmangel als auch an bewusster Zurückstellung von Ersatzinvestitionen in Erwartung des Streckenausbaus.
Im November 1956 passiert der Personenzug P 1108 Mühldorf–München Hbf, gezogen von der 38 3402, den Bahnübergang am Schrankenposten 13 bei Obergeislbach. Vorschriftsgemäß beobachtet der Wärter mit umgehängtem Signalhorn vor der bayerischen Wellblechbude die Vorbeifahrt des Zuges.
Bis heute sind in den Bahnhöfen Hörlkofen, Schwindegg und Weidenbach sogar noch Stellwerke aus der Zeit ihrer Einführung in Betrieb: Apparaturen der bayerischen Bauart Krauss von 1900. Neun bzw. acht Jahre jünger sind die Krauss-Stellwerke in den Bahnhöfen Fridolfing und Laufen. Am 11. August 1985 bedient Fahrdienstleiter Siegfried Schraitle das Hörlkofener Kurbelstellwerk. Rechts: Das für drei Betriebsgleise ausgelegte Krauss-Stellwerk im Bahnhof Laufen.
Diese am 1. April 2001 fotografierten Kurbeln des Befehlsstellwerks im Bahnhof Dorfen hat schon der Herr Oberexpeditor fast 100 Jahre vorher betätigt. Das Dorfener Befehlsstellwerk und die beiden abhängigen Wärterstellwerke auf den Türmen (Bild rechts) erfüllten von 1903 bis zum Ersatz durch ein elektronisches Stellwerk (ESTW) am 26. Juni 2004 zuverlässig ihren Dienst. Im Gegensatz zu einem ESTW waren für den Betrieb des Befehlsstellwerks und der beiden Wärterstellwerke insgesamt 14 Mann Personal erforderlich. ESTW sind heute in den Bahnhöfen Dorfen und Mühldorf installiert, relaisgesteuerte Stellwerke befinden sich noch in den Bahnhöfen Feldkirchen und Markt Schwaben.
Ein weiteres Befehlsstellwerk mit Wärtertürmen steht bis heute im Bahnhof Garching im Betrieb, allerdings in modernerer elektromechanischer Bauart der Fa. Siemens & Halske.
Handbediente Schranken an den Bahnübergängen erforderten ebenfalls die personelle Besetzung vor Ort rund um die Uhr. Letzte handbediente Schrankenanlagen bestehen derzeit noch im Bahnhof Hörlkofen. Dort senken und heben sich die Schrankenbäume aber längst elektrisch. Bis Ende der 1980er musste dagegen noch gekurbelt werden, z.B. am Posten 21 östlich von Schwindegg. Seit Dezember 2017 ist auch der Bahnübergang am ehemaligen Schrankenwärterposten in Wasentegernbach mit zeitgemäßer Technik ausgestattet. Aufnahmedatum: 25. Dezember 1978 und 5. Mai 2013
Nein, das ist keine Nebenbahn kurz vor der Stilllegung, sondern die Hauptstrecke München–Mühldorf, auf der der „Nahverkehrstriebwagen-Schienenomnibus“ Nto 4451 am 22. November 1982 nach Mühldorf brummt. Soeben hat er die Haltestelle Walpertskirchen verlassen. Wo bis 1966 das Überholungs- und Ausweichgleis nebst Bahnsteig lag, ist im Vordergrund zu erkennen.
Zwar konnte man im Schienenbus dem Triebwagenführer über die Schulter schauen, so wie auf dem linken Bild bei der Einfahrt in den Bahnhof Weidenbach am 1. März 1979, aber ihre beste Zeit hatten die betagten Gefährte seit den 1960ern hinter sich. Weil eine Ersatzbeschaffung für die Schienenbusse unterblieben war, kamen in den 1980ern und noch Anfang der 1990er lokbespannte Ein-Wagen-Züge zum Einsatz. Auf dem rechten Bild hält der N 4403 am 29. Dezember 1992 in Thann-Matzbach, der aus der 212 170 und einem Bn-Wagen („Silberling“) besteht. Das linke Gleis ist bereits gekappt, es führte nach Isen als Reststück der einstigen Lokalbahn nach Haag, das 1991 stillgelegt wurde.
Die Strecke Mühldorf–Freilassing hatte mit ihren Schienenbussen noch in den 1980ern zwar ihren besonderen Charme, aber ihr Zugangebot war dürftig, insbesondere an Tagen ohne Berufs- und Schülerverkehr. Am Sonntag, den 24. Februar 1980 knattert der Nto 4911 um 15.03 Uhr aus dem Bahnhof Wiesmühl b. Tittmoning nach Freilassing. In dieser Relation war diese Schienenbusgarnitur eine der vier an Wochenenden verbliebenen Verbindungen.
Außerhalb des enormen Berufspendlerverkehrs prägten Drei-Wagen-Eilzüge, bestehend aus 218ern und „Silberlingen“, das Bild der Strecke München–Mühldorf. Am 3. Januar 1988 passiert der E 3438 Burghausen – München Hbf das Dörfchen Niedergeislbach. Ebenfalls am 3. Januar vier Jahre später in Dorfen: 218 340 vor E 4202 überholt den S-Bahn-Zubringer N 4412.
Am 31. Mai 1981 kam mit dem Zugpaar E 3485/80 wieder Fernverkehr auf die Strecke München–Simbach, allerdings in seiner bescheidensten Form: Mit einem von den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) gestellten Kurswagen, der vom E 3485 in Simbach auf den um 17.55 Uhr in Linz Hbf eintreffenden E 721 überging. Umgekehrt brachte der E 720 (Linz Hbf ab 6.07) den Kurswagen nach Simbach, wo ihn der E 3480 erwartete. Mit Reisezeiten von 4 ¾ bzw. 3 ½ Stunden war diese Kurswagenverbindung zumindest in der Relation Linz–München eine Alternative zu über Salzburg geführten Zügen. Den Linzer Kurswagen gab es 10 Jahre, danach lief er noch bis Mai 1994 bis bzw. ab Wels Hbf. Viel Schnee hat‘s, als der E 3485 am 20. Dezember 1981 durch die Kurve bei Schwarzhölzl jagt. Hinter der Lok 218 345 läuft der ÖBB-Kurswagen.
Mit der Einführung des Zugpaares D/RE 966/963 am 14. Dezember 2008 verkehrten nach 85 Jahren wieder durchgehende Züge zwischen Linz und München, ohne zeitraubendes Kurswagen-Rangieren und ohne Lokwechsel. Leider blieb die Inanspruchnahme hinter den Erwartungen zurück, weshalb das D/RE-Paar Linz–Simbach–München wieder aufgegeben wurde. Lediglich während des Oktoberfestes war die Auslastung sehr hoch, weshalb die ÖBB sogar Verstärkungswagen einsetzten Am 8. Dezember 2012 fuhr das Linzer Zugpaar zum letzten Mal. Am 3. Januar 2012 rauscht die ÖBB-Lok 2016 065 mit dem D/RE 968 auf dem Weg nach München durch Walpertskirchen. Seit seiner Abfahrt in Linz ist er 2 ½ Stunden unterwegs.
Fernverkehr erleben die Strecken München–Mühldorf und Mühldorf–Freilassing regelmäßig bei Umleitungen, die aufgrund von Baumaßnahmen zwischen Rosenheim und Freilassing erforderlich sind. Am 11. Mai 2002 dröhnen zwei 218er mit dem umgeleiteten EuroCity EC 62 „Bartok Bela“ München Hbf–Budapest Keleti bei Hörlkofen durch die Frühlingslandschaft.
Während die Strecke München–Mühldorf in der Liga des Personenfernverkehrs seit über 100 Jahren nicht mehr mitspielt, hat sie eine herausragende Stellung im schweren Güterverkehr inne, seit sich die Industriebetriebe im „Bayerischen Chemiedreieck“ um Burghausen etabliert haben. Allerdings stößt ihre Transportkapazität durch die Eingleisigkeit längst an Grenzen.
Der Güterverkehr der Strecke Mühldorf–Freilassing ist geprägt durch die chemischen Betriebe in Hart a.d. Alz bei Garching und Trostberg.
Schon seit ihren Anfangsjahren nimmt die in Tüßling abzweigende Strecke nach Burghausen hinsichtlich ihrer Rentabilität einen Spitzenplatz ein. Schon bald nach ihrer Eröffnung entwickelte sie sich zur profitabelsten Lokalbahn in Bayern, und seit der Ansiedlung der chemischen Industriebetriebe in Gendorf und Burghausen beherrscht der schwere Güterverkehr die umfassend modernisierte Strecke.
Am 22. Februar 1997 röhrt 218 350 in Doppeltraktion mit einem langen Güterzug aus Burghausen durch Walpertskirchen, vorbei am stillgelegten Ladehof, auf dessen Areal sich seit 2014 das kleine, aber feine Museum befindet.
Am Morgen des 31. Januar 2018 stellt 294 772 im Bahnhof Garching einen typischen Zug zum Transport von Calciumcarbid aus dem Werk der AlzChem in Hart bereit.
Am 20. Oktober 2015 donnert 247 044 mit einem Kesselwagenzug aus Burghausen durch die weitläufigen Gleisanlagen in Kastl, während 247 058 nach ihrem Schubdienst Pause hat.
Trotz ihrer Leistung von über 3000 PS benötigen die sechsachsigen Lokomotiven der Baureihe 247 auf der Burghausener Strecke mit ihren beträchtlichen Steigungen oft Hilfe durch eine Schublok. Am 20. Oktober 2015 hat 247 046 mit schwerer Last die Rampe vor dem Haltepunkt Burgkirchen erklommen, in dem sich das für bayerische Lokalbahnen typische Agenturgebäude erhalten hat.
Angesichts des enormen Güterverkehrs, der die Burghausener Strecke kennzeichnet, bedarf es heute etwas Phantasie um sich vorzustellen, dass auf dieser einstigen Lokalbahn vor Jahrzehnten Dampfloks mit vergleichsweise geringen Lasten dahinschnauften. Im Januar 1958 stampft die 64 857 mit dem P 2408 nach Mühldorf aus dem Bahnhof Altötting (Foto: Anton Pfenninger). Im Personenverkehr dominierten die Wallfahrer, weshalb der Bahnhof Altötting über ein sehr stattliches Empfangsgebäude verfügt. Es wird gegenwärtig saniert. Aufnahmedatum: 11. Dezember 1993
1990 sollte der Streckenausbau beginnen, doch dann flossen die Mittel nach der Wiedervereinigung in den „Aufbau Ost“, womit das Projekt ABS 38 buchstäblich auf der Strecke blieb.
Dennoch zeichnete sich noch in den 1990ern die Zukunft der Bahnlinie München–Mühldorf ab, als zwischen den Bahnhöfen München-Riem und Feldkirchen der Container-Umschlagbahnhof angelegt wurde. Er ging am 28. September 1992 in Betrieb. Am 21. April 1991 wird daran noch fleißig gebaut. Im Vordergrund huscht eine S-Bahn nach Feldkirchen, im Hintergrund grüßt der Tower des Flughafens München-Riem herüber, der seit dem 17. Mai 1992 Geschichte ist.
Die niedrigen Bahnsteige in den Bahnhöfen östlich von Markt Schwaben müssen in heutigen Standards neu gebaut und mit Unterführungen versehen werden. Am 5. Oktober 2008 sind diese Baumaßnahmen im Bahnhof Ampfing in vollem Gange (links). 2009 startete im 8 km langen Streckenabschnitt Ampfing–Altmühldorf der Bau des zweiten Gleises, das im Dezember 2010 in Betrieb ging. Am 8. Oktober 2009 brummt 225 027 in Doppeltraktion mit einem Kesselwagenzug am westlichen Ende des Ausbauteilstücks vorüber.
Der zweigleisige Ausbau von Altmühldorf bis Tüßling erforderte Anpassungen der Infrastruktur. Im Frühjahr 2015 begann die Verlegung des zweiten Gleises bis Tüßling sowie der Umbau der Bahnhöfe Mühldorf und Tüßling. Erfreulicherweise konnten diese Baumaßnahmen so zügig abgewickelt werden, dass der zweigleisige Betrieb schon am 22. Mai 2017 und damit gut ein halbes Jahr früher als geplant aufgenommen werden konnte. Am 18. November 2016 passiert RB 27154 von Burghausen den neu gestalteten Ostkopf des Bahnhofs Mühldorf.
Durch den Umbau mutierte der Bahnhof Tüßling zu einer modernen Verkehrsstation. Wenig ästhetisch wirkt allerdings die Schallschutzwand vor dem sehr ansprechend renovierten historischen Empfangsgebäude. Aufnahmedatum: 31. Januar 2018
Für den zweigleisigen Betrieb zwischen Ampfing und Mühldorf musste die Brücke über den Innkanal – nun dreigleisig – neu gebaut werden. Am 8. April 2017 befährt sie 245 015 mit RB 27029. Links zweigt die Strecke nach Rosenheim ab.
Für den Abschnitt Tüßling–Freilassing steht seit Ende 2018 fest, dass der Abschnitt zweigleisig wird. Bisher wurden lediglich die neuen Eisenbahnüberführungen bei Salling und Surheim in einer Breite errichtet, die die Aufnahme eines zweiten Gleises westlich des bestehenden ermöglicht. Die Anfang Juni 2015 fertiggestellte neue Eisenbahnüberführung bei Salling ersetzte das 108 Jahre alte Brückenbauwerk, das zuletzt von lokbespannten Zügen nur noch mit 10 km/h befahren werden durfte. Am 24. Oktober 2016 hielt Karl Bürger die RB 27086 nach Landshut auf der neuen Brücke bei Salling im Bild fest.
An manchen Stellen muten die Strecken, aus denen die ABS 38 entstehen soll, wie lauschige Nebenbahnen an, z.B. beim Blick von Wampeltsham hinüber nach Kirchstetten (linkes Bild vom 28. Januar 2015). Doch wenn sie einmal ausgebaut und die Fahrleitungen bis Mühldorf, Burghausen und Freilassing gespannt sein werden, wird man insbesondere die Streckenabschnitte Markt Schwaben–Mühldorf und Tüßling–Freilassing nicht wiedererkennen. Gleichwohl erscheinen sie heute noch an manchen Stellen wie aus einer anderen Zeit – dort wo noch die Formsignale und die Spannwerke für die Stelldrähte stehen, wie im Bahnhof Thann-Matzbach (rechtes Bild vom 25. Februar 2017).
Der Verfasser und seine Publikationen
2013 hat Karl Bürger, nach einigen Aufsätzen in Fachzeitschriften, sein erstes Buch „Von königlich bayerischen Zeiten zur S-Bahn und Flughafenbahn“ herausgebracht.
2017 erschien sein zweites, 272 Seiten umfassendes, reich bebildertes Werk „München–Mühldorf–Simbach. Glanz, Niedergang und Renaissance einer königlich bayerischen Eisenbahn“. Darin schildert der Autor ein markantes, ein sehr typisches Stück bayerischer Eisenbahngeschichte sehr fundiert und sehr detailliert. Er wirft dabei auch immer wieder den Blick auf die Lebensumstände der Menschen und die Gegebenheiten der jeweiligen Zeitabschnitte und spiegelt sie in Vergleichen an der Gegenwart. Ein umfassendes Werk für alle, die sich für die Eisenbahn und ihre Geschichte interessieren, aber auch für alle, die sich mit Zeitgeschichte und Verkehrspolitik beschäftigen.
Im Oktober 2018 erschien als drittes Buch in ähnlichem Umfang „Die Bayerische Tauernbahn. Landshut–Mühldorf–Freilassing“, das der Autor zusammen mit Dr. Karl Bösenecker verfasst hat.
Sie erreichen den Autor Karl Bürger unter karl-buerger@t-online.de